Nadelbinden
(Click here for my old ENGLISH NALBINDING text)
Was ist Nadelbinden?
Auf den ersten Blick halten die meisten Menschen nadelgebundene Textilien für gestrickt oder gehäkelt. Aber wagt man einen zweiten, genaueren Blick, dann erkennt man die Andersartigkeit der Struktur. Es gibt unzählige Varianten des Nadelbindens: offene und netzartige Stoffe genau wie feste und dichte; filigrane und zarte genau wie grobe und robuste Stoffe.
Nadelbinden ist die „eingedeutschte“ Version der skandinavischen Bezeichnungen, wahlweise Nålbinding, Nålebinding, Nalbindning oder auch Naalbinding. Im englischsprachigen Raum gibt es noch mehr Namen für die Technik, z.B. nalbinding, nalebinding, nalbindning, naalbinding, nailbinding, naalebinding, needle binding, looping, looped needle netting oder knotless netting. Weltweit gibt es unzählige weitere Bezeichnungen für das Nadelbinden, denn das Prinzip ist so einfach, dass es in praktisch allen Teilen der Welt in irgendeiner Form verwendet wird oder wurde. Mit Nadel und Faden werden Schlingen gebildet und ineinander verschlungen, so dass ein Stoff entsteht.
Technik
Wie funktioniert das Nadelbinden?
Das Nadelbinden ist eine der einfachsten und ursprünglichsten Techniken, um aus einem Faden oder Garn einen Stoff zu erzeugen – daher wurde es auch schon in der Steinzeit verwendet. Im Prinzip wird einfach nur der Faden mit sich selbst verschlungen (egal ob mit oder ohne die Hilfe einer Nadel). Allerdings kann man dieses Verschlingen ganz „einfach“ gestalten, oder aber in immer neuen Mustern und Kombinationen unzählige Schlingen miteinander verbinden.
Im Gegensatz zum Stricken oder Häkeln, bei dem man direkt vom Knäuel, quasi mit einem Endlosfaden arbeiten kann, ist beim Arbeiten mit einer normalen Nadel mit Öhr die Fadenlänge begrenzt, und man muss regelmäßig neue Fadenstücke ansetzen.
Einfache Stiche können zur Herstellung offener, netzartiger Stoffe verwendet werden, beispielsweise für Trage- oder Fischernetze. Aber es ist auch möglich mit einfachen Stichen sehr dichte Textilien herzustellen. Komplexe Stiche erzeugen eher dichte und festere Textilien, die wegen ihrer Elastizität (im Gegensatz zu Geweben oder Leder) vor allem für Hand- und Fußbekleidung, sowie für Kopfbedeckungen beliebt waren. Abhängig von der Wahl und Anzahl der durchstochenen Schlingen gibt es unglaublich viele Stichvarianten, von denen manche aus archäologischen Funden bekannt sind (sie tragen dann oft den Namen des ersten Fundortes, z.B. Oslo- oder Mammen-Stich).
Die verschiedenen Stiche bei archäologischen Fundstücken zu erkennen oder gar zu beschreiben ist nicht ganz einfach. Es gibt verschiedene Klassifikationssysteme um die Stiche zu benennen. Die bekanntesten Stiche werden der Einfachheit halber meist nach ihrem Fundort benannt, für die technische Erläuterung benutzt man heute meist die Notifikation nach Hansen (Hansen, Egon H., Nalebinding: definition and description. In: Textiles in Northern Archaeology, Textile Symposium in York, North European Symposium for Archaeological Textiles Monograph 3, NESAT III, London Archetype Publications, 1990, 21-27).
Geschichte
Die ältesten bekannten Nadeln mit Öhr bestehen aus Knochen und stammen aus einer Stufe der späten Altsteinzeit vor ca. 30.000 Jahren. Diese wurden wahrscheinlich gebraucht, um Bekleidung aus Leder oder Fellen zu nähen, doch zeigen neue Grabungsfunde, dass auch schon in der Altsteinzeit komplexere textile Techniken und die Nutzung pflanzlicher Fasern bekannt waren.
Der älteste bisher bekannte Fund in Nadelbindung stammt aus Israel (Nahal Hemar). Zu den ältesten nadelgebundenen archäologischen Funden Mittel- und Nord-Europas gehören Fragmente von Fischernetzen (Mittlere Steinzeit). Berühmt sind jedoch vor allem die späteren Stücke, wie die wikingerzeitlichen Funde aus Nordeuropa und die Socken mit Zehenschlitz aus dem koptischen Ägypten.
Das Nadelbinden war und ist weltweit verbreitet und unter vielen verschiedenen Namen bekannt. Wir benutzen einen eingedeutschten skandinavischen Begriff. Eine überlieferte Bezeichnung für diese Technik im Deutschen ist leider nicht bekannt, denn seit im Mittelalter die neue Technik des Strickens aus dem arabischen Raum nach Europa gelangte, verdrängte sie wegen der schnelleren Produktionsgeschwindigkeit das Nadelbinden nach und nach. Bis in unsere heutige Zeit konnte sich das Nadelbinden nur in einigen Regionen Nord-Europas erhalten, so dass die Technik dort auf eine lange ungebrochene Tradition zurückblicken kann.
Heute erlebt das Nadelbinden durch das verstärkte historische Interesse eine Art Revival. Vor allem in reenactment- und living-history-Gruppen, die auf Authenzität bedacht sind, wird die Technik wieder ausgeübt um vor allem Socken, Handschuhe und Mützen herzustellen.
Wer an speziellen Fundstücken und weiteren Details zur Geschichte des Nadelbinden interessiert ist, findet diese in meinem Buch „Nadelbinden – Was ist denn das?“
Anleitungen
Hier könnt Ihr Euch eine Anleitung für den Oslo-Stich als pdf herunterladen (A4 Blatt von vorne und hinten bedrucken, dann in der Mitte falten).
anleitung_nadelbinden_oslo_stich
Hier gibt es die Anleitung für eine nadelgebundene Rose
Hier gibt es die Anleitung für eine nadelgebundene Maus
anleitung_nadelbinden_oslo_maus
Anleitung für Zoras Schuhe in Größe 39 (Variation derAnleitung für Babyschuhe im Buch)